Das Generationenkapital wird die gesetzliche Rente nicht retten
15 Februar 2024
Das Generationenkapital soll 2024 kommen.
Im Haushalt 2024 ist dafür ein Betrag von 12 Mrd. Euro vorgesehen. Ursprünglich war bereits ein Start im Jahr 2023 mit einem Betrag von 10 Mrd. Euro vorgesehen. Das Projekt hat sich dann aber verzögert.
Viele Medien haben einen Zusammenhang zwischen der Verzögerung und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus November 2023 gesehen, wonach das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 nichtig ist. Das ist allerdings nicht richtig: Da es sich bei dem Aufbau des Generationenkapitals um eine finanzielle Transaktion handelt, ist die Schuldenbremse gar nicht berührt.
Es fehlt aber das zugehörige Gesetz und ggf. die notwendige Stiftung. Ursache ist dem Vernehmen nach Uneinigkeit innerhalb der Ampelkoalition.
Diese Verzögerungen wurden in der Presse teilweise bitter beklagt. In einzelnen Artikeln wurde der Eindruck erweckt, als könnte das Generationenkapital die gesetzliche Rente retten. So viel Hoffnung sollten wir aber gar nicht in das Generationenkapital stecken.
Generationenkapital und Generationenschuld
Wenn wir uns genauer ansehen, was hinter dem Generationenkapital steckt, kommt schnell die Ernüchterung. Das Generationenkapital soll zumindest anfangs vollumfänglich durch Kredite finanziert werden. Das heißt, neben dem Generationenkapital steht zunächst eine gleich hohe Schuld – nennen wir sie dazu passend Generationenschuld. Ziel ist es, mit dem Generationenkapital Erträge zu erzielen, die höher sind als die Zinsen auf die Generationenschuld.
Um das zu erreichen, sind entsprechende ertragsorientierte Investitionen notwendig. Dazu gehört die Bereitschaft der Entscheidungsträger und Kontrollinstanzen, etwaige Kapitalmarkteinbrüche und -verluste – auch über mehrere Jahre hinweg – auszuhalten. Die Kapitalanlage sollte inflations- und sachwertorientiert sein, damit langfristig der Realwert erhalten bleibt und tatsächlich ein Finanzierungsbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet werden kann.
Wenn man das beachtet, kann das Modell tatsächlich funktionieren, denn Deutschland genießt eine hohe Bonität und zahlt niedrige Zinsen. Ob das alles aber langfristig so bleibt, ist nicht sicher. Bert Rürup schrieb im November 2023 im Handelsblatt: „Die Idee, dass der Staat Aktien auf Kredit kauft und die Renditedifferenz zusätzlichen Spielraum zur Finanzierung der Altersversorgung schafft, ist nun einmal eine Wette – und Wetten gehen keineswegs immer auf.“
Wenn man aber davon ausgeht, dass Deutschland dauerhaft Zinsen zahlt, die geringer sind als Renditen auf eine sachwertorientierte Kapitalanlage, wäre ein solches Konstrukt im Übrigen auch nicht auf Altersversorgung beschränkt. Jegliche Zukunftsaufgabe könnte man so vorfinanzieren.
Bleiben wir aber bei der gesetzlichen Rente.
Was das Generationenkapital nicht ist
In der Presse hat sich schnell der Begriff der Aktienrente eingebürgert. Dieser Begriff stammt aus ganz anderen Ideen zur Altersversorgung, speziell zur privaten Vorsorge, die schon lange vor der letzten Bundestagswahl diskutiert wurden.
Das Generationenkapital ist aber gerade keine Aktienrente. Von einer Aktienrente würde man mindestens erwarten, dass die Rentenhöhe von den Erträgen der Kapitalanlage abhinge, dass also hohe Erträge zu höheren Renten führten. Das ist aber gar nicht geplant.
Das Generationenkapital ist auch keine Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente. Das Generationenkapital selbst soll nicht für die Finanzierung der Renten herangezogen werden. Lediglich die Erträge sollen an die Deutsche Rentenversicherung fließen.
Die Zinsen auf die Generationenschuld werden dagegen aus dem Haushalt getragen. Eine Generationenschuld wird natürlich auch nicht separat ausgewiesen. Ein Sondervermögen, in dem Generationenkapital und Generationenschuld zusammen ausgewiesen würden, wäre deutlich ehrlicher und transparenter.
Volatilität im Bundeshaushalt
Die Erträge aus dem Generationenkapital dürften am Ende den Bundeszuschuss, nicht die Beiträge von Arbeitgebern und Beschäftigten, reduzieren.
Zwar hat das Bundesfinanzministerium immer bekräftigt, dass keine Zahlungen zur Unzeit geleistet werden. Im Ergebnis heißt das aber: Wenn in einem Jahr die Erträge aus dem Generationenkapital ausbleiben, muss wieder ein höherer Teil des Bundeszuschusses aus dem Haushalt übernommen werden. Auf diese Art und Weise bringt das Generationenkapital Volatilität in den Bundeshaushalt.
Da das Generationenkapital nur einen begrenzten Umfang haben wird und der Bundeshaushalt auch andere Unsicherheiten beinhaltet, ist diese Volatilität aber voraussichtlich beherrschbar.
Kein Beitrag zur Generationengerechtigkeit
Leider bringt das Generationenkapital auch keinen Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Die Jahrgänge, die von den Erträgen aus dem Generationenkapital profitieren, sind auch diejenigen, die die Zinsen auf die Generationenschuld aufbringen und mit der Volatilität im Bundeshaushalt leben müssen.
Vereinfacht gesagt ist die Entscheidung für das Generationenkapital eine, die ausschließlich künftige Generationen betrifft. Die Chancen und Risiken werden von denselben Menschen getragen. Die heutigen Älteren werden davon nicht berührt, weder positiv noch negativ.
Zumindest könnte man sagen: Das Generationenkapital ist im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit neutral. Es verschlechtert sie auch nicht weiter.
Generationenkapital und Bundeszuschuss
Das Generationenkapital wird als schuldenfinanzierte Kapitalanlage auch langfristig nur geringe Beiträge zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung leisten können. Die gesetzliche Rentenversicherung wird dadurch nicht gerettet werden.
Der Bundeszuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung wird in den nächsten Jahren um 4 Mrd. Euro jährlich steigen. Auch bei kontinuierlicher Einzahlung in das Generationenkapital wird es ein paar Jahre dauern, bis das Generationenkapital 4 Mrd. Euro Ertrag pro Jahr abwirft – geschweige denn, dass der Ertrag um 4 Mrd. Euro pro Jahr steigen würde.
Das heißt, der Bundeszuschuss wird auch nach Einführung des Generationenkapitals immer größer werden.
Beiträge und Leistungen
Das Generationenkapital ist im Hinblick auf Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung also nur eine kleine Stellschraube. Die großen Faktoren sind die Beiträge und der Bundeszuschuss als Einnahmen und die Leistungen als Ausgaben der Rentenversicherungsträger.
Will man an einer Mindestleistung und an Wählergeschenken wie der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte festhalten, müssen zwangsläufig Beiträge oder Bundeszuschuss steigen. Derzeit ist es der Bundeszuschuss, der jährlich steigt.
Ob die Steuereinnahmen angesichts einer schrumpfenden Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter langfristig auf dem heutigen Niveau bleiben oder gar steigen können, ist zumindest fraglich, so dass auch diese Vorgehensweise voraussichtlich nicht ewig finanziert werden kann.
Es führt am Ende kein Weg daran vorbei, die Höhe der Leistungen zu reduzieren, um künftige Generationen nicht über Gebühr zu belasten. Die dafür notwendigen Reformen könnten heute noch z. B. durch einen späteren Rentenübergang erfolgen.
Diese bittere Wahrheit möchte keine Politikerin und kein Politiker verkünden. Doch je länger man wartet, desto wahrscheinlicher werden deutlich schmerzhaftere Einschnitte.
Die Lösung könnte die Einrichtung einer Kommission von Fachleuten sein, die die klare Fragestellung bekommen: „Was ist zu tun, um die gesetzliche Rentenversicherung zu einer nachhaltigen Altersversorgung zu reformieren?“