Einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln – Das BAG zum Zweiten 

Frau mit Laptop

08 August 2023

Die Gründe zur zweiten im Januar verkündeten BAG-Entscheidung zu einseitigen Kapitalwahlrechtsklauseln sind veröffentlicht worden. Das BAG bleibt in wichtigem Detail unkonkret. Der Beitrag ordnet die Entscheidung mit Blick auf die Praxis ein.  

Das Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestätigt in dieser zweiten Entscheidung (BAG, Urt. 17.01.2023 – 3 AZR 501/21) die Vorgaben, die es in den Urteilsgründen zur ersten Entscheidung (BAG, Urt. 17.01.2023 – 3 AZR 220/22) für eine zulässige einseitige Kapitalwahlrechtsklausel aufgestellt hat. Es hebt dabei noch deutlicher, hervor, dass die Verwendung solcher Klauseln grundsätzlich rechtmäßig ist. Nicht eindeutig wird aber beantwortet, welche Höhe die einmalige Kapitalleistung mindestens haben muss, damit sie mit der zugesagten Rente als gleichwertig angesehen kann und die Klausel damit noch „billigem Ermessen“ entspricht.          

Der Fall

Wie bereits berichtet, ging es in diesem Fall um eine im Jahr 1997 erteilte Direktzusage, die eine nach Vollendung des 65. Lebensjahres und Dienstausscheiden monatlich zahlbare Altersrente beinhaltete. In einer Klausel hatte sich der Arbeitgeber vorbehalten, „anstelle der Renten eine einmalige Kapitalabfindung zu zahlen.“

Durch einen Nachtrag im Jahr 2005 wurde ergänzend bestimmt, dass die „einmalige Kapitalabfindung“ wertgleich zur zugesagten Rente sein muss und mit der Kapitalauszahlung sämtliche Ansprüche aus der Versorgungszusage erlöschen sollen. Weiterhin wurde geregelt, dass „die Höhe der einmaligen Kapitalzahlung […] dem Barwert der künftigen Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften, ermittelt nach den Rechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe der ertragssteuerlich zulässigen Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG zum letzten Bilanztermin vor der Abfindung" entsprechen muss. Für die Versorgungszusage wurde eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen.

Kurz vor Rentenbeginn teilte der Arbeitgeber dem Versorgungsberechtigten mit, er mache von seinem Recht Gebrauch, anstelle einer monatlichen Rente „eine einmalige Kapitalabfindung“ zu zahlen, deren Höhe er vom Rückdeckungsversicherer berechnen ließ.

Der Versorgungsberechtige beharrte auf der Rentenzahlung und war der Ansicht, dass die Kapitalzahlung nicht wertgleich zur Rentenleistung sei.

Zur Entscheidung des BAG

Nachdem das die Vorinstanz die Klage auf Rentenzahlung noch abgewiesen hatte (LAG Hamm, Urt. v. 11.08.2021 – 4 Sa 221/21), war der Versorgungsberechtigte beim BAG erfolgreich. Das BAG hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurück. Dies beruhte allerdings allein darauf, dass das LAG rechtsfehlerhaft von einer Wahlschuld (§ 262 BGB) ausgegangen ist. Ob die Entscheidung des Arbeitgebers, statt der Rente das einmalige Kapital auszuzahlen, „billigem Ermessen“ entspricht, muss das LAG neu verhandeln und entscheiden.

Das BAG hat die Zulässigkeitskriterien für einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln in dieser Entscheidung wie folgt deutlich gemacht:

Wie auch in der ersten Entscheidung, ordnen die Richter die Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) ein, hier allerdings als sogenannte Einmalbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Solche Bedingungen sind, wie auch AGB, die für den Einsatz in einer Vielzahl von Verträgen bestimmt sind, ohne Einflussnahmemöglichkeit für den anderen Vertragsteil vorformuliert. Das BAG kommt dann über die Qualifizierung als sog. Ersetzungsbefugnis – unter ausdrücklicher Ablehnung einer Wahlschuld im Sinne von § 262 BGB – zu der Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB. Eine Wahlschuld liegt deshalb nicht vor, weil nicht von vornherein zwei alternative Versorgungsleistungen zugesagt sind, sondern eine Rentenzahlung, deren Ersetzung durch eine einmalige wertgleiche Kapitalleistung vorbehalten worden ist. Es handelt sich bei der einseitigen Option, anstelle der ursprünglich zugesagten Rente ein Einmalkapital auszuzahlen, demnach um eine Leistungsänderungsklausel im Sinne des AGB-Rechts, die nur zulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Das BAG bestätigt insoweit die Vorgaben der ersten Entscheidung.

Arbeitgeberinteresse an Kapitalzahlung wird deutlich hervorgehoben

Deutlicher als in der ersten Entscheidung bringt das BAG in dieser Entscheidung aber zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber ein legitimes Interesse daran hat, sich im Zeitpunkt der Versorgungszusage vorzubehalten, die versprochene Zahlung laufender Renten durch eine wertgleiche einmalige Kapitalleistung zu ersetzen: Bei einer Versorgungszusage handele es sich um eine typischerweise auf Jahrzehnte angelegte Leistungsverpflichtung, die wegen ihrer Langfristigkeit in besonderem Maße Unsicherheiten und Unwägbarkeiten unterworfen sei. Sowohl die wirtschaftlichen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen könnten sich, ohne dass dies im Zeitpunkt der Zusage absehbar wäre, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls erheblich ändern. Daraus könne ein nachvollziehbares Interesse entstehen, durch eine Kapitalisierung das Versorgungsverhältnis kurzfristig zu beenden und hierdurch die betriebliche Altersversorgung kalkulierbarer zu gestalten. Das Arbeitnehmerinteresse an einer unveränderten Beibehaltung der Rentenzahlung überwiegt also keineswegs grundsätzlich.     

Für den Arbeitnehmer ist in insbesondere zu beachten, dass bei der Kapitalleistung das Langlebigkeitsrisiko auf ihn übertragen wird, die Rentenanpassung nach § 16 BetrAVG entfällt, im Vergleich zur Rente für den Versorgungsberechtigten eine höhere Steuerlast entstehen kann und im Hinblick auf den Pfändungsschutz im Falle einer Zwangsvollstreckung im Vergleich zur Rente ein geringerer Schutz besteht (§§ 850c, 850i ZPO).

Eine Frage der Wertgleichheit

In der ersten Entscheidung scheiterte die Zulässigkeit der Klausel vor allem daran, dass die einmalige Kapitalauszahlung mit dem 10-fachen der Jahresrente nicht wertgleich war und der Versorgungsberechtigte damit eine hinter dem Barwert der zugesagten Altersrente zurückbleibende und damit geringwertige Leistung erhalten sollte. Damit wurde bereits erdientes Entgelt im Nachhinein – unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalls – wieder entzogen. Weil es nicht entscheidungserheblich war, hat das BAG nicht konkret ausgeführt, mit welchen Rechnungsannahmen der Barwert zu berechnen wäre, damit er wertgleich ist.

Leider hat das BAG auch diese zweite Entscheidung nicht genutzt, um bei dieser Frage Rechtsklarheit zu schaffen. Aber immerhin: Dem Arbeitnehmerinteresse sei – so die BAG-Richter - in der Klausel dadurch Rechnung getragen, dass die zugesagte Rente nur durch eine wertgleiche Kapitalleistung ersetzt werden könne. Anderenfalls wäre sie dem Kläger nicht zumutbar im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB.

Fraglich ist, ob das BAG damit zum Ausdruck bringen wollte, dass der - entsprechend dem Wortlaut der Klausel - „nach den Rechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe der ertragssteuerlich zulässigen Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG“ und damit mit einem Rechnungszins von 6 % ermittelte Barwert eine mit der zugesagten Rente wertgleiche einmalige Kapitalauszahlung darstellt.

Dafür könnte sprechen, dass die Frage, ob die Entscheidung, Kapital statt Rente auszuzahlen, billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB entspricht, also ob die Interessenabwägung im Ergebnis zugunsten des Arbeitnehmer- oder des Arbeitgeberinteresses ausfällt, im Wege der Zurückverweisung dem LAG als letzte Tatsacheninstanz überlassen wurde. Demnach sieht das BAG in rechtlicher Hinsicht in bestimmten Fallkonstellationen offenbar keine Bedenken bei der Berechnung Rechnungsannahmen gemäß § 6a EStG. Die Richter merken aber auch an, dass bei der Interessenabwägung eine mit der Ersetzung einhergehende Erhöhung der Kapitalleistung gegenüber dem versicherungsmathematisch ermittelten Barwert der laufenden Leistung, mithin eine Leistungsverbesserung, zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen sein könnte. Das kann im Grunde dahin verstanden werden, dass die Berechnung mit den ertragsteuerlichen Rechnungsannahmen gemäß 6a EStG zulässig sein kann. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles kann es aber – um das Arbeitgeberinteresse letztlich überwiegen zu lassen – angezeigt sein, Berechnungsparameter zu verwenden, die eine höhere Kapitalauszahlung ergeben. 

Folgen für die Praxis

Rechtsunsicherheit bleibt! Mehr Eindeutigkeit bei der Frage, mit welchen konkreten Rechnungsannahmen der Barwert (mindestens) zu berechnen ist, um eine mit der zugesagten Rente wertgleiche einmalige Kapitalleistung zu erhalten, wäre wünschenswert gewesen. Es spricht unseres Erachtens aber viel dafür, dass der Wertgleichheit in den meisten Fällen ausreichend Rechnung getragen wird, wenn die Kapitalleistung mindestens dem nach § 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 BetrAVG versicherungsmathematisch zu ermittelnden Barwert der zugesagten Rente entspricht.

Allerdings scheinen sich die BAG-Richter offenbar auch nicht an dem in der Klausel bestimmten § 6a EStG zu stören, der wegen des relativ hohen Rechnungszinses von 6 % hier zu einem entsprechend niedrigen Barwert führt. Es bleibt abzuwarten, ob die LAG-Richter, die erneut unter Berücksichtigung der BAG-Vorgaben über die Sache zu befinden haben, dies ähnlich interpretieren. Die Verwendung des Barwerts gemäß § 6a EStG ist nach unserem Dafürhalten bis auf Weiteres mit einem gewissen Rechtsrisiko behaftet. Denn man wird berücksichtigen müssen, dass im Einzelfall eine Interessenabwägung durchzuführen ist und der (niedrige) ertragssteuerliche Barwert diese Abwägung zulasten des Arbeitgebers ausfallen lassen könnte. Demnach ist es aus unserer Sicht grundsätzlich angezeigt Rechnungsannahmen zu verwenden, die zu einem höheren Barwert bzw. auszuzahlenden Kapital führen. Keine Bedenken dürften wohl bestehen, wenn der Barwert nach Maßgabe von § 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 BetrAVG und damit mit dem HGB-Rechnungszins berechnet wird. Die vorliegende Entscheidung kann in Streitfällen dazu dienen, diesen Bewertungsansatz im Erst-Recht-Schluss als zulässig zu bewerten.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Kapitalwahlrechtsklausel keine Gründe für deren Ausübung angegeben muss und das Wahlrecht bis zum Beginn des Leistungszeitraums ausgeübt werden muss, damit nicht gegen Abfindungsverbot aus § 3 BetrAVG verstoßen wird.

Rechtsprechung zu einseitigen Kapitalwahlrechtsklauseln wird bestätigt
Über den/die Autor:in(nen)
Gregor Hellkamp

Senior Consultant, Legal & Tax Consulting, Mercer Deutschland 

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