Hinterbliebene im Verfahren auf Abänderung des Versorgungsausgleichs nach Tod 

02 Januar 2024

Mit seiner Entscheidung vom 14.12.2022 (XII ZB 318/22) trifft der Bundesgerichtshof (BGH) eine Aussage zu der Frage, ob Erben an einem Abänderungsverfahren gegen den geschiedenen und verstorbenen Ehegatten zu beteiligen sind.

Ausgangslage

Die Antragstellerin – Ehefrau aus zweiter Ehe - begehrt als Hinterbliebene die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer "Totalrevision" nach § 51 Abs. 1 VersAusglG. Die Antragstellerin war bis zum Versterben ihres Ehemannes im Jahr 2017 mit diesem verheiratet. Die 2011 aus erster Ehe verstorbene geschiedene Ehefrau hatte aus dem bei Scheidung im Jahr 1980 durchgeführten Versorgungsausgleich im Wege des Splittings Anwartschaften auf gesetzliche Rentenversicherung erhalten. Eine Hinterbliebenenversorgung wird aus dem Versorgungsanrecht der verstorbenen und geschiedenen ersten Ehefrau nicht geleistet. Der Ehezeitanteil der verstorbenen Ehefrau erhöhte sich nach deren Tod aufgrund der im Jahr 2014 eingeführten Mütterrente.

Die Antragstellerin bezieht seit dem 2017 eine große Witwenrente aus dem Versorgungsanrecht des Ehemanns. Aufgrund der Erhöhung des Ehezeitanteils der verstorbenen Ehefrau, begehrt die Antragstellerin eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Wege der sog. Totalrevision. Der erhöhte Ehezeitanteil beläuft sich nach Auskunft des Versorgungsträgers, auf das Ehezeitende bezogen, umgerechnet auf monatlich 300,35 DM.

Das Amtsgericht - Familiengericht - lehnte die Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung ab. Das OLG änderte, unter Beteiligung der Witwe und des beteiligten Versorgungsträgers, den Ausspruch zum Versorgungsausgleich dahin ab, dass ab der Antragstellung zur Abänderung ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Gegen diese Entscheidung des OLG wendet sich der Versorgungsträger mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde. 

Entscheidung des BGH

Der BGH hat den Beschluss des OLG aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen, da das OLG verfahrensfehlerhaft die Erben der im Jahr 2011 verstorbenen Exfrau nicht als Antragsgegner am Verfahren beteiligt hatte.

Durch die Wertänderung des Anrechts der verstorbenen ersten Ehefrau ergebe sich eine geringere Ausgleichsdifferenz zulasten des Anrechts des Ehemannes, aus dem sich die Höhe der Witwenrente der Antragstellerin ableite, so dass sich eine Abänderung zugunsten der Antragstellerin als Witwe auswirke.

Antragsberechtigt für ein Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG sind gem. § 52 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 226 Abs. 1 FamFG die Ehegatten, ihre Hinterbliebenen und die von der Abänderung betroffenen Versorgungsträger. Das Antragsrecht des Hinterbliebenen ist nicht von dem verstorbenen Ehegatten abgeleitet, sondern ermöglicht die Einleitung eines eigenständigen Verfahrens. Ob dem verstorbenen Ehegatten ein solches Anrecht zu Lebzeiten zugestanden hätte, ist für das Antragsrecht der Hinterbliebenen unerheblich. Die im Rahmen einer Totalrevision einzubeziehenden Anrechte eines bereits Verstorbenen, seien so zu berücksichtigen und zu bewerten, als würde er bei Erlass der Entscheidung noch leben. Der Antrag richtet sich somit gegen die Erben, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zwingend am Verfahren zu beteiligen sind, selbst dann, wenn sich ihre Rechtsstellung durch die Abänderung nicht verändert.

Der BGH stellt klar, dass einem Hinterbliebenen auch nach der Durchführung eines Versorgungsausgleichs ein materielles Recht auf Abänderung per Gesetz zustehen kann. Der Abänderungsanspruch ergibt sich aus § 225 Abs. 2 bis 5 FamFG. Nach Maßgabe des § 51 VersAusglG, sind die Regelungen des § 225 Abs. 2 bis 5 FamFG auch auf die Abänderung eines nach dem bis 31.8.2009 geltenden Recht durchgeführten Versorgungsausgleichs anzuwenden.

Aus § 226 Abs. 5 Satz 3 FamFG folgt, dass ein Verfahren, dass zunächst gegen einen noch lebenden Ehegatten eingeleitet worden ist und dieser im laufenden Verfahren vor Rechtskrafteintritt der Endentscheidung stirbt, das Verfahren gegen dessen Erben fortgesetzt wird. Der Antrag auf Abänderung kann folglich auch dann noch geltend gemacht werden, wenn der andere Ehegatte bereits verstorben ist. Die Erben rücken dabei materiellrechtlich in die Rechtsstellung des früheren Ehegatten, da sich das Verfahren mit dem Tod des Abänderungsgegners gerade nicht erledigt hat. Der Antrag auf Abänderung ist dann von vornherein gegen die Erben als Antragsgegner zu richten. Die Rechtsstellung der Erben als Abänderungsgegner kann mit der Stellung gleichgesetzt werden, die sie auch in einem Ausgangsverfahren zum Versorgungsausgleich einnehmen, wenn ein Ehegatte bereits verstorben ist.

Aufgrund der Stellung der Erben als Antragsgegner des Abänderungsverfahrens sind sie notwendige Beteiligte iSv § 219 Nr. 4 FamFG und somit zum Verfahren hinzuzuziehen. Die Beteiligtenstellung bleibt auch bestehe, wenn die Erben keine Hinterbliebenenleistungen aus dem Anrecht der verstorbenen Ehefrau beziehen.

Der BGH hat jedoch für das weitere Verfahren darauf hingewiesen, dass er die vom Versorgungsträger mit der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen für unbegründet hält. Bereits durch den Wortlaut der §§ 52 Abs. 1 VersAusglG, 226 Abs. 1 FamFG bestehe zugunsten der Hinterbliebenen die Möglichkeit nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen nachträglich die Abänderung des Versorgungsausgleichs zu beantragen. Sofern eine nachträgliche Änderung eines Anrechts dazu führen würde, dass die Hinterbliebenenversorgung auch dann erhöht wird, wenn der andere Ehegatte nicht verstorben wäre, erhält der Ausgleichspflichtige, auch wenn er verstorben ist, sein Anrecht gemäß § 31 VersAusglG fiktiv ungeteilt zurück. Dadurch wird die Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage seiner ungeteilten Versorgung berechnet.

Der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass zugunsten von Verstorbenen keine neuen Versorgungsanrechte begründet oder übertragen werden können, greift in diesem Fall nicht. Die Antragstellerin, als Hinterbliebene des verstorbenen Ehemannes, begehrt keine Neubegründung von Anrechten zu seinen Gunsten, sondern eine Reduzierung des bereits durchgeführten Wertausgleichs. Dies würde den früheren Zustand wiederherstellen, aus dem sich ihre eigenen Anrechte auf Witwenrente ableiten.

Der Hinterbliebene muss lediglich eine Versorgung beziehen, die sich durch eine Abänderung im Wege der Totalrevision erhöhen würde. Dabei kommt es auf eine Gesamtbetrachtung des Ausgleichsergebnisses an, das sich hypothetisch im Fall der Totalrevision ohne Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG ergeben hätte.

Werden die Abänderungsvoraussetzungen erfüllt, kommt es gemäß §§ 51, 31 VersAusglG dazu, dass durch den Abänderungsantrag des Hinterbliebenen des insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten, der verstorbene Ehegatte sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung fiktiv ungeteilt zurückerhält und sich die Hinterbliebenenversorgung zukünftig daraus ableitet. 

Die Entscheidung des BGH in der Praxis

Die Entscheidung, die das OLG nun treffen muss, hat Auswirkungen auf die konkreten Anforderungen, die bei einer Änderung des Versorgungsausgleichs nach dem Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten erfüllt werden müssen.

1. Gemäß § 51 VersAusglG kann durch eine Totalrevision zeitlich unbegrenzt bei einem nach altem Recht durchgeführten Versorgungsausgleich erreicht werden, dass durch den Tod des Ausgleichsberechtigten Einbußen bei der Rente vermieden werden, die der Verpflichtete zahlen muss. Gemäß § 51 VersAusglG ist der Versorgungsausgleich im Falle einer Wertänderung grundsätzlich vollständig neu durchzuführen. Dabei ist auch § 31 VersAusglG anzuwenden, der besagt, dass keine Anrechte zugunsten eines verstorbenen Ehegatten übertragen werden. Somit entfällt mit der Totalrevision der Ausgleich nachträglich.

2. Der BGH hat in seinen Beschlüssen vom 05.02.2020 und 17.11.2021 klargestellt, dass die Anwendung der §§ 51 und 31 VersAusglG nur dann in Betracht kommt, wenn der Versorgungsausgleich aufgrund einer nach § 225 FamFG maßgeblichen Wertänderung auch ohne den Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten zugunsten des Verpflichteten verändert worden wäre. Diese Einschränkung, die auf den §§ 51 Abs. 5 VersAusglG iVm § 225 Abs. 5 FamFG beruht, verringert den Anwendungsbereich eines nachträglichen Wegfalls des Versorgungsausgleichs aufgrund des Todes des berechtigten Ehegatten erheblich. Der BGH wiederholt diese Einschränkung auch für die vom Hinterbliebenen des Verpflichteten begehrte Neuberechnung.

3. Zusätzlich zu dieser inhaltlichen Beschränkung treten nun verfahrensrechtliche Anforderungen hinzu, die es dem Verpflichteten in tatsächlicher Hinsicht erschweren können, den Folgen des Versorgungsausgleichs nach dem Tod des Berechtigten zu entgehen. Der BGH ist der Ansicht, dass die Erben des verstorbenen ausgleichsberechtigten Ehegatten zwingend als Antragsgegner in das Verfahren zur Abänderung einbezogen werden müssen, auch wenn sich das Verfahren in der Regel nicht auf die Rechtsstellung von Erben auswirkt, die keine Hinterbliebenenversorgung von dem verstorbenen Ehegatten erhalten. Der BGH stützt sich zur Begründung nachvollziehbar auf den Wortlaut des § 219 Nr. 4 FamFG und die Regelung des § 226 Abs. 5 S. 3 FamFG. In der Praxis bedeutet dies, dass in den entsprechenden Verfahren in der Regel ermittelt werden muss, wer den verstorbenen ausgleichsberechtigten Ehegatten beerbt hat. Obwohl diese Ermittlungen grundsätzlich Aufgabe des Gerichts sind, nehmen sie oft viel Zeit in Anspruch und sind aufwändig, insbesondere bei lang geschiedenen Ehen. Im Gegensatz dazu ist die zu erwartende Lebensspanne des Ausgleichspflichtigen in den einschlägigen Verfahren zumeist begrenzt. Um ein zügiges Verfahren zu gewährleisten, empfiehlt es sich daher, dass der Ausgleichspflichtige bzw. sein Vertreter parallel zum gestellten Antrag eigene Ermittlungen zur Person der Erben seines früheren Ehegatten anstellt.

Hinterbliebene im Verfahren auf Abänderung des Versorgungsausgleichs nach Tod
Über den/die Autor:in(nen)
Nadine Wolters
Sylvia Althoff
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