Versorgungsausgleich: Interne Teilung einer Direktversicherung – aktuelle Rechnungsgrundlagen anpassen 

21 Dezember 2023

Mit seiner Entscheidung vom 31.05.2023 (XII ZB 250/20) trifft der Bundesgerichtshof (BGH) eine grundlegende Aussage zu der Frage, welche Rechnungsgrundlagen für die Begründung des Anrechts der ausgleichsberechtigten Person im Fall der internen Teilung eines betrieblichen Anrechts im Durchführungsweg der Direktversicherung heranzuziehen sind, um eine wertgleiche Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten zu gewährleisten.

 

Ausgangslage

Die Direktversicherung, bei welcher der ausgleichspflichtige Ehegatte ein Anrecht auf betriebliche Altersversorgung erdient hatte, regelte in ihrer Teilungsordnung für den Versorgungsausgleich, dass für die Ausgestaltung der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person die aktuellen Rechnungsgrundlagen zur Anwendung kommen sollen.

Das Beschwerdegericht, das erstmals über die Teilung dieses im ersten Rechtszug vergessenen Direktversicherungsanrechts zu entscheiden hatte, kam zu dem Ergebnis, dass die Teilungsordnung des Direktversicherers nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 1 VersAusglG genüge und deshalb die gleichwertige Teilhabe beider Ehegatten an dem fraglichen Anrecht nicht in vollem Umfang sichergestellt sei.

Vor diesem Hintergrund habe in der versorgungsausgleichsrechtlichen Entscheidung durch geeignete Maßgabenanordnungen eine Anpassung der für die ausgleichberechtigte Antragstellerin festgelegten Rechnungsgrundlagen zu erfolgen. Anderenfalls könne dies bei kapitalgedeckten Anrechten nicht nur zu einer unterschiedlichen Wertentwicklung im Hinblick auf den zugesagten Garantiezins führen, sondern auch hinsichtlich der verwendeten Sterbe- bzw. Richttafeln und der angesetzten kalkulatorischen Kosten zu einer nicht auf biometrischen Faktoren beruhenden unterschiedlichen Leistungshöhe im Fall einer identischen Wertentwicklung.

Zur Gewährleistung einer gleichwertigen Teilhabe der ausgleichsberechtigten Antragstellerin sei daher, so das Beschwerdegericht, bei der Begründung des Anrechts für sie die Anwendung der für das auszugleichende Anrecht geltenden Rechnungsgrundlagen vollumfänglich erforderlich.

Die Anwendung eines geschlechtsspezifischen Tarifs zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Antragstellerin im Wege einer Maßgabenanordnung sei dabei zulässig; § 19 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 5 AGG und die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 01.03.2011 – Rs. C-236/09) stünden dem nicht entgegen.

Trotz der Anpassung der Rechnungsgrundlagen zu ihren Gunsten legte die Antragstellerin Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ein und begehrte damit die Anwendung geschlechtsneutraler Rechnungsgrundlagen.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts vollumfänglich bestätigt.

Zunächst stellt der BGH noch einmal klar, dass es sich trotz der Tatsache, dass der ausgleichspflichtige Antragsgegner als Versicherungsnehmer der Direktversicherung geführt wurde, um ein betriebliches Anrecht handelt, das gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 VersAusglG in den Versorgungsaugleich einzubeziehen ist. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber des Antragsgegners der ursprüngliche Versicherungsnehmer war. Aufgrund der sog. versicherungsvertraglichen Lösung (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG) wurde die Versicherung auf den Antragsgegner übertragen, was nichts an der Anwendbarkeit von § 2 Abs. 2 Nr. 3 HS 2 VersAusglG ändert (hierzu BGH vom 10.02.2021. XII ZB 134/19).

Für die Übertragung eines betrieblichen Anrechts auf die ausgleichsberechtigte Person sind im Fall der internen Teilung, laut BGH, grds. Die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht maßgeblich (§10 Abs. 3 VersAusglG). Somit ist hier die Teilungsordnung des Direktversicherers heranzuziehen, dies jedoch nur, soweit dadurch die Voraussetzung für eine gleichwertige Teilhabe gegeben sind. Die Prüfung der rechtlichen Vereinbarkeit der nach § 10 Abs. 3 VersAusglG vorgelegten untergesetzlichen Teilungsordnung mit höherrangigem Recht, obliegt den Gerichten. Es kann nur dann nach Vorgabe der Regelungen des Versorgungsträgers geteilt werden, wenn eine gleichmäßige Teilhabe (§ 11 VersAusglG) gewährleistet werden kann.

Da vorliegend in der Teilungsordnung des Direktversicherers abweichend von § 11 VersAusglG die Geltung der aktuellen Rechnungsgrundlagen festgelegt war, bedurfte es eines Korrektivs dahingehend, dass der Rechnungszins sowie die Sterbetafeln aus der Tarifgeneration der bestehenden Versicherung anzuwenden waren. Diese bereits vom Beschwerdegericht vorgenommene Korrektur wurde vom BGH bestätigt. Die Maßgabenanordnung legt dem zu übertragenden Anrecht demnach denselben Rechnungszins- hier in Höhe von 4% - wie dem auszugleichenden Anrecht zugrunde.

Die mit der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin darüber hinaus angestrebte Verwendung nicht geschlechtsspezifischer Sterbetafeln wurde vom BGH jedoch abgelehnt. Zurecht sind für den hier zu entscheidenden Fall geschlechtsspezifische Rechnungsgrundlagen vom Beschwerdegericht zugrunde gelegt worden.

Die Verwendung der Sterbetafeln aus der Tarifgeneration des bestehenden Vertrages stellt sich nach Auffassung des BGH bei zwischenzeitlicher Aktualisierung für die ausgleichsberechtigte Antragstellerin als günstiger dar. Gerade bei der internen Teilung von Anrechten aus älteren Versicherungen dürfte dies für weibliche Ausgleichsberechtigte auch dann noch gelten, wenn die Kalkulation der Leistung aus einer für sie mit dem Ausgleichswert errichteten Leibrentenversicherung geschlechtsspezifisch und damit unterschiedlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen ermittelt wurde.

Die Anwendung von geschlechtsspezifischen Rechnungsgrundlagen im Wege der Maßgabenanordnung war laut BGH daher nicht zu beanstanden. Es handelte sich um einen vor dem 21.12.2012 abgeschlossenen Direktversicherungsvertrag aus dem Jahr 1996. Die Übertragung eines Teils des Vertrages nach dem 21.12.2012 auf die ausgleichsberechtigte Antragstellerin ist nicht als Abschluss eines neuen Vertrages einzuordnen, sondern vielmehr als eine Änderung des Altvertrages, für welche gemäß § 33 Abs. 5 AGG die Anwendung geschlechtsspezifischer – nicht Unisex-Regeln - Rechnungsgrundlagen rechtskonform war. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Änderungen eines Altvertrages so gewichtig sind, dass sie wirtschaftlich einem Neuabschluss des Vertrages gleichstehen. Dies wurde im streitgegenständlichen Fall jedoch gerade abgelehnt. Der rechtliche Rahmen des Versorgungsausgleichs gebietet bei der internen Teilung wegen des Gebots vergleichbarer Wertentwicklung (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG) für das neu begründete Anrecht gerade keine Veränderung der für das geteilte Anrecht geltenden biometrischen Rechnungsgrundlagen und damit auch keinen Wechsel von einer im Einzelfall noch zulässigen geschlechtsspezifischen auf eine geschlechtsneutrale biometrische Kalkulation der mit dem Ausgleichswert zu finanzierenden Rentenleistung.

Die Entscheidung des BGH in der Praxis

Auch wenn der BGH sich im Rahmen dieser Entscheidung letztendlich nur mit der Frage auseinandersetzen musste, ob geschlechtsspezifische Rechnungsgrundlagen bei der Übertragung des Anrechts auf die ausgleichsberechtigte Antragstellerin zur Anwendung kommen konnten, macht er dennoch durch die vollumfängliche Bestätigung der Entscheidung des Beschwerdegerichts sehr deutlich, dass es nicht genügt bei versicherungsförmigen Durchführungswegen im Fall der internen Teilung die ausgleichsberechtigte Person auf aktuelle Rechnungsgrundlagen zu verweisen. Entscheidend ist vielmehr, dass eine wertgleiche Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person unter Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes gewährleistet sein muss und dies, wie vorliegend, bedeutet, dass die Rechnungsgrundlagen, welche für den ausgleichspflichtigen Ehegatten gelten, auch für die Übertragung des Anrechts auf die ausgleichsberechtigte Person maßgeblich sein müssen. Dies gilt ausdrücklich auch in Bezug auf eine Zinsgarantie, die den jeweils aktuell maßgeblichen Höchstrechnungszins deutlich überschreitet.

Die Entscheidung des BGH erhöht damit den Druck auf die Versicherungen, welche in der Regel eine Begründung des Anrechts für die ausgleichsberechtigte Person nicht auf Basis der Rechnungsgrundlagen – insbesondere des Rechnungszinses und Unisex-Regeln - anbieten können, welche noch bei Vertragsabschluss für die ausgleichspflichtige Person angesetzt wurden. Es bleibt abzuwarten welche Lösungsansätze die Direktversicherer entwickeln, denn in jedem Fall sind Entscheidungen, wie die hier besprochene, von den Versicherern in irgendeiner Form umzusetzen. 

Interne Teilung einer Direktversicherung – aktuelle Rechnungsgrundlagen anpassen
Über den/die Autor:in(nen)
Nadine Wolters
Sylvia Althoff
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