Späteheklauseln in der steuerlichen Betriebsprüfung
20 November 2024
Späteheklauseln sind nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch rein steuerbilanziell eine Herausforderung.
Über Späteheklauseln haben wir schon häufiger berichtet, zuletzt in einem Beitrag von Sylvia Althoff und Nadine Wolters über die Unwirksamkeit einer solchen Regelung.
In diesem Beitrag geht es um die steuerbilanziellen Folgen einer Späteheklausel.
Die Wirkung von Späteheklauseln
Späteheklauseln schränken Hinterbliebenenleistungen ein: Falls eine Ehe erst nach Eintritt eines Versorgungsfalles oder nach Erreichen einer Altersgrenze geschlossen wurde, werden keine Witwen- bzw. Witwerleistungen gewährt.
Späteheklauseln sind arbeitsrechtlich grundsätzlich zulässig, bestimmte Gestaltungen können aber unwirksam sein.
Für steuerliche Bewertung ist die arbeitsrechtliche Wirksamkeit allerdings unbedeutend: In der Steuerbilanz dürfen die Verpflichtungen nur insoweit ausgewiesen werden, wie ein Rechtsanspruch besteht, die Schriftform gegeben ist und kein steuerschädlicher Vorbehalt vorliegt.
Somit führen einschränkende Klauseln in der schriftlichen Zusage auch dann zu Reduzierungen der Rückstellung, wenn sie sich arbeitsrechtlich als unwirksam herausstellen sollten.
Späteheklauseln mindern also den Verpflichtungsumfang des Unternehmens. Umstritten ist die Frage, wie diese Minderung bei der steuerlichen Rückstellungsbildung abgebildet wird.
Bewertungs- oder Ansatzfrage?
Auf dem aba-Forum Arbeitsrecht am 12.03.2024 in Mannheim haben Klaus Hartmann vom Bundeszentralamt für Steuern und Thomas Hagemann von Mercer gemeinsam zum Thema Späteheklauseln vorgetragen.
In der steuerlichen Betriebsprüfung wird die Rückstellung für die Anwartschaft auf Hinterbliebenenleistungen bei Vorliegen einer Späteheklausel für bestimmte Personen oftmals beanstandet. Aus Sicht der Betriebsprüfung darf für unverheiratete Versorgungsempfänger keine Anwartschaft auf Hinterbliebenenleistungen mehr berücksichtigt werden, wenn aufgrund einer Späteheklausel keine Hinterbliebenenleistungen mehr ausgelöst werden können.
Die führt aber nach der gemeinsamen Auffassung von Hartmann/Hagemann insgesamt zu einem falschen Ergebnis: Während bei unverheirateten Personen, die keine Hinterbliebenenleistungen mehr auslösen können, faktisch die individuelle Bewertung angewendet wird, werden alle anderen Personen weiterhin kollektiv bewertet, also mit allgemeinen Verheiratungswahrscheinlichkeiten. Das führt insgesamt zu einer Unterbewertung der Pensionsrückstellungen.
Hartmann/Hagemann kamen zu dem Ergebnis, dass Späteheklauseln den Verpflichtungsumfang nur geringfügig verringern, was über einen Abschlag bei der Bewertung abgebildet werden könnte.
Hartmann schlug eine Modifikation der Verheiratungswahrscheinlichkeiten zur Abbildung der Späteheklauseln vor.
Dieser Vorschlag wurde an eine Arbeitsgruppe der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) gegeben, die sich nun aus versicherungsmathematischer Sicht damit beschäftigt. Im günstigsten Fall kann das Ergebnis der Arbeitsgruppe von der Finanzverwaltung in Form eines BMF-Schreibens übernommen werden.
Eine Aufsatzfassung des Vortrags von Hartmann/Hagemann wurde in der BetrAV 5/2024, S. 416-424, veröffentlicht.
Andere Auffassungen in der Finanzverwaltung
Die Sichtweise von Hartmann/Hagemann wird allerdings nicht von allen Fachprüferinnen und -prüfern der Bundesländer geteilt.
In der BetrAV 7/2024, Seite 650-652, ist ein Aufsatz von Martin Haßelberg und Frank Burmann, beide Fachprüfer für betriebliche Altersversorgung im Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Düsseldorf II, erschienen. Haßelberg/Burmann lehnen die Auffassung von Hartmann/Hagemann ab.
Aus ihrer Sicht handelt es sich um eine Ansatzfrage: Sofern eine Späteheklausel dazu führt, dass bestimmte Personen keine Hinterbliebenenleistungen mehr auslösen können, bestehe kein Rechtsanspruch auf Hinterbliebenenleistungen mehr. Somit dürften die Hinterbliebenenleistungen in der steuerlichen Bewertung nicht mehr berücksichtigt werden.
Bei den verheirateten Personen, bei denen die Altersgrenze der Späteheklausel überschritten bzw. der Versorgungsfall eingetreten ist, gestehen sie einen Wechsel der Bewertung von der kollektiven zur individuellen Methode zu – allerdings mit der Einschränkung, dass dies zum richtigen Zeitpunkt geschehen und ggf. auch Scheidungswahrscheinlichkeiten einfließen müssten.
Was nun?
Die restriktive Auffassung von Haßelberg/Burmann aus NRW wird nicht von alle Fachprüferinnen und -prüfern geteilt. Derzeit hängt es auch vom Bundesland ab, ob ein Unternehmen mit Beanstandungen in dieser Frage rechnen muss.
Angesichts dessen, dass sich nach Anregung von Personen aus dem Bundeszentralamt für Steuern eine aktuarielle Arbeitsgruppe mit diesem Thema beschäftigt, wäre es sehr wünschenswert, dass sich die Betriebsprüfungen zurückhalten, bis Ergebnisse vorliegen.
Wir halten die restriktive Auffassung von Haßelberg/Burmann weiterhin für falsch. Eine abweichende Auffassung lässt sich aber u. U. nur gerichtlich durchsetzen.