Erwägungen zum Inflationsschutz 

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22. Mai 2023

Der Aufbau eines Inflationsschutzes in den Portfolios erfordert eine breite Diversifizierung über eine Reihe von Anlageklassen und Strategien hinweg.

Infolge der beispiellosen expansiven Geldpolitik während der Pandemie rückt die Inflation jetzt schnell und extrem wieder in den Mittelpunkt, was durch steigende Energie- und Lebensmittelkosten, Probleme bei den Lieferketten und bedeutende geopolitische Ereignisse noch verstärkt wird. Wir glauben, dass über diese sehr kurzfristigen Faktoren hinaus das langfristige Inflationsrisiko aus einer Reihe struktureller Gründe gestiegen ist, wie unten beschrieben.                        

Das Portfolio muss das erhöhte Inflationsrisiko widerspiegeln. Traditionelle Portfolios, die von Aktien und Anleihen dominiert werden, haben sich in den letzten zehn Jahren durch das günstige Umfeld des disinflationären Wachstums sowie negative Aktien-Anleihen-Korrelationen außergewöhnlich gut entwickelt. In einem Umfeld mit anhaltend höherer und volatilerer Inflation könnten solche Portfolios jedoch leiden, wenn sie nicht proaktiv für verschiedene Inflationsszenarien positioniert sind. 

Faktoren, die den Inflationsverlauf bestimmen

Abbildung 1
Die langfristigen Kräfte, welche die Desinflation vorantreiben, könnten sich jetzt in die andere Richtung verändern. Nach jahrzehntelanger Globalisierung wird die Welt immer fraktionierter. Die geld- und fiskalpolitische Koordination der letzten zwei Jahre hat einen Präzedenzfall für die Zukunft geschaffen und die für die Energiewende erforderlichen Investitionen werden ebenfalls inflationär sein. Es ist unklar, ob traditionelle disinflationäre Kräfte, wie Technologie, dies ausgleichen können.

Treiber des disinflationären Drucks

Eine alternde Bevölkerung könnte zu einer geringeren Nachfrage führen, da der Konsum sinkt, aber es besteht eine erhebliche Unsicherheit bezüglich der Auswirkungen der Demografie auf die Inflation.

Ein Arbeitszufluss aus Niedriglohnländern im Zuge der Globalisierung hielt die Inflation im Zaum, aber dies könnte sich ändern, wenn Länder wie China sich weiterentwickeln und die Globalisierung ihren Höhepunkt erreicht.

Die hohe Verschuldung des Privatsektors wirkt disinflationär, da die Entschuldung die Nachfrage reduziert, die Schulden aber inzwischen in den öffentlichen Sektor verlagert wurden.

Automatisierung und Produktivität könnten steigen.

Treiber des Inflationsdrucks 

Ein Jahrzehnt der Unterinvestitionen in traditionelle Energiequellen und geopolitische Spannungen erhöhen das Risiko zukünftiger Energiepreisschocks. 

Kosten für Innovation und die Entwicklung alternativer Energiequellen im großen Maßstab.

Hohe Staatsanleiheniveaus erhöhen die Anreize für die Monetarisierung von Schulden.

Die expansive Geldpolitik aus den Jahren 2020 und 2021 könnte sich in Zukunft wiederholen.

Ein massiver disinflationärer Treiber, der bestenfalls seinen Höhepunkt erreicht oder sich im schlimmsten Fall sogar umkehrt.

Die Auswirkungen der Inflation auf konventionelle Portfolios 

Viele Portfolios wurden in Zeiten disinflationärer Umgebungen aufgebaut und dafür konzipiert. Sie haben, dominiert von Aktien und Anleihen sowie alternativen Anlageklassen, wie Private Equity, Sachwerten und aggressiveren kreditorientierten festverzinslichen Strategien, in den letzten zwei Jahrzehnten eine starke Performance erzielt. Der langfristige Trend sinkender Renditen hat zu einer Erhöhung der diskontierten Dividendenwerte geführt, und die Kuponzahlungen haben sich zusätzlich negativ ausgewirkt.

Ein Umfeld mit strukturell höherer Inflation ändert diese Gleichung. Erstens müssen die Portfolios besser aufgestellt sein, da die realen Renditen durch die Inflation verringert werden, und sie müssen ein ausreichendes Engagement in Anlageklassen aufweisen, die mit der Inflation Schritt halten können. Zweitens müssen die Portfolios nicht nur für wiederkehrende Übergäne zwischen rezessiven und nicht-inflationären Wachstumsumgebungen positioniert werden (unten in der Grafik), sondern auch um eine Inflationsdimension ergänzt werden (oben in der Grafik). 

Abbildung 2

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Inflationsempfindlichkeiten für ausgewählte Anlageklassen basierend auf historischen Daten, berechnet vom Asset Manager Pimco. Die Grafik zeigt, dass Gold sowie Aktien für Rohstoffe und natürliche Ressourcen eine hohe Inflationsempfindlichkeit aufweisen. Traditionelle Anlageklassen, wie nominale Anleihen und breit gestreute Aktien, besitzen eine geringere Inflationsempfindlichkeit.

Eine strukturell höhere Inflation wirkt sich auch jenseits des bloßen Schutzes des Portfolios vor den direkten Inflationsfolgen auf die Portfoliozusammensetzungen aus.  

Die Portfoliodiversifikation wurde durch die typischerweise negative Korrelation zwischen Aktien und festverzinslichen Wertpapieren in disinflationären Zeiten unterstützt, insbesondere bei großen Stressereignissen, als sie am dringendsten nötig war. Warum war das so? Da die Inflation strukturell niedrig und zyklisch war, wurde die steigende Inflation mit einem Wirtschaftswachstum in Verbindung gebracht, das den Aktien zugutekam und den Staatsanleihen schadete, da die Zentralbanken ihre Geldpolitik präventiv strafften, und umgekehrt. Als also ein Teil des Portfolios stieg, ging der andere Teil zurück.

In einem Umfeld, in dem die Inflation strukturell hoch ist, sind die steigende Inflation und die geldpolitische Straffung jedoch nicht mehr notwendigerweise an das Wirtschaftswachstum gekoppelt, sodass sowohl Aktien als auch Anleihen gleichzeitig leiden. Die Diversifizierung der Portfolios wird schwieriger, was die Komplexität des Portfolioaufbaus erhöht. Bei der Asset Allokation muss stärker drauf geachtet werden, einen Verlustschutz in die Portfolios zu integrieren.

Obwohl einige Portfolios durch Investitionen in inflationsgebundene Anleihen, die ebenfalls Einschränkungen mit sich bringen, einen Inflationsschutz umsetzen werden, scheinen nur wenige Portfolios umfassend gegen eine breitere Palette von Inflationsszenarien abgesichert zu sein, mit denen wir jetzt konfrontiert werden könnten.

Wie die Bewertung der Preisausrichtung funktioniert

Eine Szenarioanalyse ist in Zeiten wie diesen besonders nützlich, in denen die Wahrscheinlichkeit eines Regimewechsels – insbesondere eines Wechsels hin zu einem Regime mit höherer Inflation – gestiegen ist. Die Geschichte hat uns gezeigt, wie oft sich die Regimes zwischen langfristiger Inflation und Desinflation verschoben haben.

Dies hat unsere Entscheidung beeinflusst, dass sich die zukünftigen Inflationsregimes wesentlich von denen der letzten vier Jahrzehnte unterscheiden können, obwohl auch eine Rückkehr zu einem günstigen disinflationären Umfeld möglich ist.

In Abbildung 3 werden verschiedene Szenarien dafür betrachtet, wie sich die Volkswirtschaften und Märkte unter verschiedenen Bedingungen verhalten könnten. Hierbei handelt es sich um zukunftsgerichtete Bewertungen, die über einen Zeitraum von drei Jahren festgelegt werden. Sie umfassen inflationäre und disinflationäre Bedingungen, Kostenschub- und Nachfragetreiber für Inflation sowie starkes und schwaches Wachstum, wobei der Einfluss der Zentralbank- und Regierungspolitik berücksichtigt wird.

Unser Report Inflationsschutz – Aufbau robuster Portfolios liefert weitere Einzelheiten dazu, wie sich verschiedene Strategien unserer Einschätzung nach über einen Dreijahreszeitraum hinweg in diesen verschiedenen Szenarien entwickeln werden.

Abbildung 3
Die Inflation weist unterschiedliche Formen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf die Anlageklassen haben. Es gibt keine Anlageklasse, die eine Wunderwaffe darstellt und gleichzeitig vor allen Inflationsumfeldern schützt. Hier ist ein diversifizierter Ansatz erforderlich.
Abbildung 4
Diese Grafik zeigt, was die Inflation in jedem unserer Szenarien antreibt. Im „Goldlöckchen“-Szenario wird der Inflationsdruck zum Beispiel durch das Wirtschaftswachstum angetrieben, aber weitgehend durch den disinflationären Druck aufgrund von technologischen Produktivitätssteigerungen ausgeglichen, während Politik, Versorgungskosten und Arbeitskosten weder disinflationäre noch inflationäre Auswirkungen haben.

Definieren Ihrer Inflationsschutzstrategie 

Es gibt keine einzige Strategie, die am besten vor all diesen Inflationsszenarien schützt, was bedeutet, dass eine diversifizierte Mischung aus Anlageklassen und Strategien erforderlich ist, um einen breiten Inflationsschutz für die Portfolios zu erreichen.

Die ausgeklügeltsten institutionellen Portfolios verfügen bereits über Vermögenswerte, die vor wachstumsorientierten und/oder langfristigen Inflationsszenarien, wie Infrastruktur oder Immobilien, schützen und mit rohstofforientierten Strategien ergänzt werden können. Andere inflationäre Szenarien, insbesondere eine Stagflation, machen die meisten Portfolios anfällig. Hier können rohstofforientierte Strategien und Gold wertvolle Ergänzungen für die Portfolios darstellen.

Szenarien, in denen die Inflation mit einer aggressiven Zinsreaktion wie im Jahr 2022 konfrontiert wird, machen die Portfolios anfällig für Laufzeitrisiken. Sie erinnern als Erste daran, die traditionellen Abwärtsschutzelemente zu überdenken, unterstreichen aber auch die potenziellen Vorteile variabel verzinslicher Anleihen für die Portfolios.

Letztendlich hängt die Mischung der für einen Anleger geeigneten Vermögenswerte von einer Reihe von Faktoren, darunter der bestehende Vermögensmix und der Zeithorizont des Anlegers, unter welchen das Portfolio am anfälligsten ist, sowie anderen anlegerspezifischen Einschränkungen ab – wie z. B. die Empfindlichkeit gegenüber Klimatransitionsrisiken und ESG-Erwägungen. 

Fragen zur Bestimmung der Inflationsschutzstrategien 

  • Welche inflationsempfindlichen Vermögenswerte, wie Aktien und Immobilien, sind bereits im Portfolio vorhanden?
  • Über welchen Zeithorizont bieten diese inflationsempfindlichen Vermögenswerte Schutz?
  • Unter welchem wirtschaftlichen Szenario ist das Portfolio am anfälligsten?
  • Welche Art des erforderlichen Inflationsschutzes wird benötigt, d. h. allgemeiner Verbraucherpreisindex oder bestimmte Bereiche (Bildung, Gesundheitswesen)?
  • Wie sehen das Liquiditätsbudget und seine Auswirkungen auf die Fähigkeit aus, in Privatvermögen mit längeren Sperrfristen zu investieren?
  • Wie sieht das Governance-Budget aus und damit die Toleranz für Komplexität und Überwachung der Strategien?
  • Wie ist die Bedeutung von ESG-Aspekten und nicht-finanziellen Erwägungen?

Drei Erwägungen bei der Überprüfung Ihrer Inflationsrisiken 

  1. Die Inflation ist kein homogenes Phänomen,
    Sie können sich auf unterschiedliche Weise darstellen und das Risiko, das durch verschiedene Szenarien entsteht, entwickelt sich im Laufe der Zeit. 
  2. Es gibt keine Strategie, die eine Wunderwaffe ist.
    Ein diversifiziertes Engagement in einer Reihe von Vermögenswerten stellt eine pragmatischere Lösung dar. 
  3. Traditionelle Portfolios
    Aktien und festverzinsliche Wertpapiere sind für Inflation schlecht geeignet.
Autoren
Jeffrey Dissmann

Leiter Investment Consulting, Mercer Deutschland

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